Zu Gast beim DRK in Wolfenbüttel: Studienreise der Koalitionsfraktionen aus Hessen

Die Sozialpolitik des Bundeslandes informierte sich am Exer über alternative Wege in der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen

Auf dem Podium gemeinsam mit den Vertretern der hessischen Sozialpolitik (von links): Jörg Meironke, Nicole Arendt, Thomas Stoch, Bernd Retzki, Susanne Selbert und Dr. Jürgen Schulz. Foto: DRK

Von Thomas Stoch, 23.09.2022

Wolfenbüttel. „Wissen Sie eigentlich, dass das was Sie hier machen, einzigartig ist“, kommentiert Susanne Selbert die Vorstellung der Aktivitäten des Wolfenbütteler DRK im Bereich Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen. Selbert steht als Landesdirektorin des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen einer 45köpfigen Delegation vor, die sich für eine Studienreise auf den Weg in die Lessingstadt gemacht hat. Das Angebot des Fachdienstes für berufliche Eingliederung, Menschen mit Beeinträchtigungen durch Unterstützung mit Arbeitsassistenz und Job Coaching für Beschäftigungen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren, sei sogar im bundesweiten Vergleich bemerkenswert. „Von Ihnen können wir viel lernen“, so Selbert. Die Wolfenbütteler Ansätze sollen auch in Hessen eingeführt werden.

Nicole Arendt und Thomas Stoch von der DRK-inkluzivo Wolfenbüttel gGmbH stellten die Angebote des Fachdienstes vor. Zu Wort kamen auch die Nutzer: Thomas Ebeling beispielsweise hat das Down Syndrom, er wurde bereits in der Grundschule durch das DRK mit einer Schulassistenz begleitet. Heute ist er stolz auf seinen Arbeitsvertrag beim Cateringbetrieb Solferino und erzählt, wie es für ihn war, als er die Prüfung zum Fachpraktiker Küche bestanden hat: „Das war eine Party! Da habe ich alle umarmt, die in der Nähe waren.“ Thomas Ebeling verdient heute einen richtigen Lohn und führt ein weitgehend normales Leben. In seinem Vortrag überraschte er mit der Aussage, dass er noch drei Jahre beim Solferino bleiben wolle und sich dann nach einem anderen Betrieb umsehe. Auch Dustin Depta, derzeit tätig bei einem Nahrungsmittelhersteller in der Region und Amelie Feickert, beschäftigt in einem Alten- und Seniorenheim, berichteten engagiert von ihrem Werdegang und von der Unterstützung durch den Fachdienst FBE.

„Selbstbestimmung macht selbstbewusst“, erklärte Thomas Stoch. Er verdeutlichte die Haltung, die wichtig ist, um Teilhabe zu ermöglichen und Betroffene zu fördern. Das schaffe echte Alternativen für diejenigen, die nicht dauerhaft in einer Werkstatt tätig sein wollen. In Werkstätten liege die Quote, Personen mit Behinderungen auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, nach wie vor bei unter 2% pro Jahr. Dagegen ist die Vermittlungsquote des FBE beeindruckend, hier wurden in den letzten Jahren insgesamt über 60% der FBE-Kunden vermittelt.

Dass das in den letzten Jahren kein Selbstläufer war, verschweigt Stoch nicht. Es brauche Überzeugungsarbeit, starke Eltern und manchmal auch rechtlichen Beistand, um Kostenträgern und der kommunalen Verwaltung aufzuzeigen, in welche Richtung es gehen muss. „Zu stark etabliert sind die üblichen Wege zwischen Förderschule und Werkstätten. Das System hat sich über Jahrzehnte eingerichtet“, meint Stoch.

Dass hier ein Umdenken möglich ist, verdeutlichten Jörg Meironke von der Agentur für Arbeit und Thorben Haste, Teamleiter der Eingliederungshilfe bei der Stadt Salzgitter. „Wir waren am Anfang tatsächlich skeptisch“, so Meironke aus Sicht der Kostenträger. „Aber wir haben es gewagt. Heute sind wir froh über die Angebote des FBE, unsere Beratung ist deutlich breiter als noch vor wenigen Jahren.“ Thorben Haste, wegen einer Corona-Erkrankung digital zugeschaltet, ergänzte: „Als Kostenträger haben wir Entscheidungsspielräume. Die müssen nur genutzt werden, um eine wirksame Hilfe zu etablieren.“ Wenn diese eben außerhalb der etablierten Werkstätten liegt, dann sei das ein guter Weg.

Am Abend folgte ein fachpolitischer Austausch in großer Runde, teilgenommen hat auch Bernd Retzki, Sozialdezernent des Landkreises Wolfenbüttel. Er bestätigte, dass die Entwicklungen im Landkreis mit dem Handlungsplan Inklusion korrespondieren und dass eine Vielfalt von Angeboten und Unterstützungsmöglichkeiten wichtig sei.

Die Gäste lobten das Engagement des DRK Wolfenbüttel für Menschen mit Behinderungen. Sie bestätigten, viele gute Ansätze und Ideen mit nach Hessen zu nehmen. Beeindruckt waren die Politiker aus Hessen auch ganz allgemein von der Stadt Wolfenbüttel, die sie auf einer Stadtführung kennenlernen durften. „Der eine oder die andere wird sicher noch einmal den Weg nach Wolfenbüttel finden“, so die einhellige Meinung in der Gruppe.

Vor dem DRK-Solferino in Wolfenbüttel. Die Koalitionsfraktionen des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Foto: DRK

Thomas Ebeling berichtet von seinen Erfahrungen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Neben ihm: Nicole Arendt. Foto: DRK

Thomas Stoch erläutert die inklusiven Ansätze und die Haltung des Wolfenbütteler DRK. Foto: DRK