Teilnehmer aus ganz Deutschland schalten sich nach Wolfenbüttel zur "SmarteInklusion"- Konferenz

Das Projekt erforscht digitale Möglichkeiten, um die berufliche Teilhabe von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu fördern

So ging sie los, die hybride Veranstaltung: Im Ostfalia-Hörsaal begrüßte Uwe Rump-Kahl die anwesenden Gäste – gleichzeitig wurde die Szene live ins Internet übertragen. Foto: DRK

Von Bastian Lüpke, 16.07.2021

Wolfenbüttel. Was kommt dabei heraus, wenn Sozialarbeiter und Informatiker zusammen die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt vorantreiben wollen? Wie können smarte Endgeräte Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen dabei helfen, einen Arbeitsablauf zu lernen und umzusetzen? Für die Antworten auf diese Fragen interessierten sich bundesweit rund 300 Menschen, die sich bei der Hybridveranstaltung „SmarteInklusion – Teilhabe durch Digitalisierung in der Arbeitswelt“ über eine Videokonferenz-Anwendung in Wolfenbüttel dazuschalteten.

„Wir sind begeistert, wie gut dieses Veranstaltungsformat funktioniert“, sagt Uwe Rump-Kahl, Geschäftsführer der DRK-inkluzivo Wolfenbüttel gGmbh und Organisator der Veranstaltung. „Wir hatten eine tolle Tagungsatmosphäre vor Ort – die Vortragenden hatten durch die anwesenden Teilnehmer stets ein Auditorium. Und dazu hatten wir viele weitere Menschen aus ganz Deutschland, die zuhause am Bildschirm dabei waren und intensiv unsere Chatfunktion genutzt haben, um Fragen zu stellen“, freut sich Rump-Kahl.

Digitalisierung kann die berufliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen fördern. So lautet die Kernaussage der ganztägigen Veranstaltung an der Ostfalia-Hochschule am Exer in Wolfenbüttel. Der Frage, wie Smartphones, Tablets und andere Devices bei der Inklusion in den ersten Arbeitsmarkt helfen, gehen Partner aus Forschung und Praxis inzwischen seit drei Jahren nach. Dazu gehören: die Fakultäten Informatik (Prof. Dr. Ina Schiering) und Soziale Arbeit (Prof. Dr. Sandra Verena Müller) der Ostfalia, die DRK-inkluzivo Wolfenbüttel gGmbh, die Fortbildungsakademie der Wirtschaft gGmbH (Monika Versmann und Björn Hagen) und die Hasomed GmbH (Jörg Appenrodt).

Den Zusammenschluss der vielen Partner in diesem Projekt bezeichnete Bernd Retzki, Sozialdezernent des Landkreises Wolfenbüttel, in seinem Grußwort als „traumhafte Kooperation“. So sei Forschung und Praxis optimal vernetzt. Die Zusammenarbeit der beiden Fakultäten – Informatik und soziale Arbeit – sei außergewöhnlich. Retzki erklärte die Erfolge und Pläne des „Kommunalen Handlungsplans Inklusion“, den der Wolfenbütteler Kreistag 2020 beschlossen hatte. So seien bereits ein inklusives Jobportal und die Beratungsapp „Wolfenbüttel inklusiv“ entwickelt worden.

Cordula Miosga, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Region Braunschweig, betonte, dass Inklusion nicht nur eine sozialpolitische Aufgabe, sondern eben auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sei. „Menschen mit Behinderungen stellen ein großes Fachkräfte-Potenzial dar. Vielfalt verbessert das Arbeitsklima. Inklusion ist im ureigenen Interesse der Unternehmen. Immer mehr Arbeitgeber erkennen dieses Potenzial“, sagte Miosga. Digitalisierung nehme in der Wirtschaft derzeit Fahrt auf. „Die Verknüpfung dieser Prozesse mit der sozialen Arbeit, wie sie hier stattfindet, ist innovativ“, sprach Miosga ihre Anerkennung aus.

Wie funktioniert dieses Zusammenspiel von Technik und Mensch? Dafür setzen die Kooperationspartner in dem Projekt „SmarteInklusion“ die RehaGoal-App ein. Sie führt die Klienten chronologisch durch den Ablauf der Arbeitsprozesse und setzt dabei auch auf Gamification-Elemente, um die Motivation zu erhöhen. Der Einsatz der App hat positive Effekte auf die Arbeitsqualität, hat unter anderem eine Forschungsgruppe der Ostfalia – um Funda Ertas-Santgar, Merle Leopold, Tom Lorenz und Ramona Schmidt – herausgefunden.

In einem Workshop zeigten auch die Praxispartner – DRK-inkluzivo und Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) – den Einsatz der RehaGoal-App mit Smartphones oder -Watches im beruflichen Alltag. „Unsere Zielgruppe hat oftmals Schwierigkeiten in der Handlungsplanung. Es fällt ihnen schwer, sich Arbeitsschritte und deren Reihenfolge zu merken“, erklärt Jelena Huisikveld, Ergotherapeutin im TagesTrainingsZentrum der FAW.

Dabei hilft die RehaGoal-App, in der ein Therapeut oder Jobcoach gemeinsam mit dem Teilnehmer einen Workflow in einzelne Arbeitsschritte zerlegt. Diese Handlungsbausteine werden dem Teilnehmer während der Arbeit nach und nach angezeigt. „Es ist wichtig, diesen Workflow gemeinsam und partizipativ zu gestalten, damit beispielsweise genau die Begriffe benutzt werden, die der Teilnehmer versteht“, berichtet Jasmin Aust vom Fachdienst berufliche Eingliederung der DRK-inkluzivo.

Die beiden Praktikerinnen präsentierten eindrucksvoll den Einsatz der App zum Beispiel bei den Tätigkeiten Kochen und Fahrrad putzen sowie beim Bestücken von Regalen in einem Fachhandel-Markt. Es wurde deutlich, dass die Teilnehmer durch die Arbeit mit der App an Selbstwirksamkeit und Eigenständigkeit gewonnen haben, berichteten die Referentinnen.

In einem weiteren Vortrag zeigte Vanessa Heitplatz (TU Dortmund), wie Digitalisierung in Einrichtungen der Behindertenhilfe zum Einsatz kommt. Zuvor ging es in Fachvorträgen um die „Berufliche Rehabilitation“ und ihre rechtliche Komplexität (Jun-Prof. Dr. Mario Schreiner, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg) sowie die „Digitale Entwicklung in der Arbeitswelt“ (Dr. Sabrina Inez Weller, Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn).

Für Organisator Uwe Rump-Kahl steht fest: „Es existieren digitale assistive Methoden, deren Integration am Arbeitsplatz wichtig ist. Es geht erst langsam los, aber ich bin überzeugt, dass diese digitalen Mittel die Zukunft sein werden. Sie steigern die Selbstwirksamkeit und Unabhängigkeit der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz.“